Durch den Balkan in die Türkei

hohe_tauern.jpgWir befinden uns auf dem Weg aus Österreich Richtung Slowenien. Mit konstant 80km/h auf den Autobahnen mache ich mir Gedanken über die nächsten Tage. Österreich ist für mich ein bekanntes Land, eine vertraute Umgebung. Schon oft war ich dort zum Gleitschirmfliegen. Vor über 20 Jahren war ich das letzte mal in den Balkanländern, damals noch Jugoslawien. Wie werden wir uns verständigen können? Wie werden die Straßen aussehen und was kostet der Diesel?
In Österreich tanken wir noch einmal für 95 Cent pro Liter, doch die Tanks sind fast leer, in der Hoffnung auf günstigeren Sprit.

Das Niemandsland zwischen Österreich und Slowenien begrüßt uns mit einem kleinen Vorgeschmack auf uns bevorstehende Holperpisten. Doch zunächst kommen wir zügig auf den kostenpflichtigen Autobahnen voran. Viel mehr als die paar Meter links und rechts der Straße sehen wir von Slowenien und den folgenden Ländern nicht. Wir wollen erst einmal „Land gewinnen“. Schon bald empfängt uns Kroatien – mit einer Überraschung: Die Autobahn-Maut für 80km bis Zagreb soll 96 kosten!? Das kann nicht sein, doch es ist wahr, aber keine Euro, sondern Kuna, die Landeswährung in Kroatien.
Auch Serbien und Bulgarien haben ihre eigene Währung und spätestens die sechs Schranken zwischen diesen beiden Ländern zeigen uns: Europäische Union heißt nicht gleich offene Grenzen und den Euro als Einheitswährung. Durch die Hektik in den letzten Tagen der Vorbereitungen, konnten wir uns wenig über die ersten Ländern unserer Route informieren, und so begegneten wir dem ersten Grenzbeamten noch mit einem naiven Achselzucken, was er denn von uns wolle.

DieselpestDer Reifen rollt, der Motor brummt – und verlangt nach Diesel. Wir tanken wieder einmal. Da die Tankanzeige zur Zeit nur den Inhalt einer unserer beiden 300 Liter Tanks anzeigt, schaue ich obligatorisch mit der Taschenlampe in den Behälter. Wunschgemäß ist dort natürlich immer zu wenig drin, aber nun entdecke ich etwas, das dort nicht hinein gehört: Einige schlierenartige Schwebestoffe. Ist das die gefürchtete Dieselpest?
Dieses Phänomen kann eintreten, wenn sich Wasser im Diesel befindet. Es bildet den Nährstoff für Algen. Das große Problem dabei sind ständig verstopfte Filter. Wasser kann sich durch Kondenswasserbildung im Tank ansammeln oder tritt durch schlechte Dieselqualität auf.
In Sofia steuern wir eine große Iveco Vertragswerkstatt an und kaufen zur Sicherheit weitere Ersatz-Dieselfilter. Wir schalten vorerst auf den noch problemfreien zweiten Tank um, denn Spezialmittel zum Abtöten der Bioorganismen kennt hier niemand. Auch Recherchen über Deutschland ergeben, dass Produkte wie Grotamar 71 erst auf Bestellung verfügbar sind. Lieferzeit zwei Wochen. Wir fahren weiter, suchen nach einfachen Mitteln wie Spiritus, welches durch seine wasserbindende Eigenschaft die Nährstoffe der Algen entzieht. Dabei verfahren wir uns in den schlaglochtiefen Sofias. Die  Überlandstrassen sind hier in einem guten Zustand, aber in den Städten eine Katastrophe. Wir sind froh mit unseren großen Reifen die kleineren Schlaglöcher einfach überrollen zu können.
Wir landen beim Praktiker. Verloren stehen wir vor einem Regal mit Lösungsmittel in kyrillischer Aufschrift. Wir trauen uns nicht irgendwas in den Tank zu schütten und da uns auch der deutsch sprechende Baumarktleiter nicht wirklich helfen kann, fahren weiter, hoffen auf eine Lösung im weiteren Verlauf der Reise.

Moschee hinter der türkischen GrenzeMit einem neuen, topmodernen Terminal empfängt uns die Türkei. Für die nächsten 3-4 Wochen ist dies die letzte Grenze, die wir überschreiten, bevor es weiter in den Iran geht. Wie an fast jeder Grenze, verlangt auch ein türkischer Beamter mit Krawatte einen kurzen Blick ins Fahrzeuginnere, um sich persönlich zu überzeugen, dass es sich bei unserem Geschoss tatsächlich um ein Wohnmobil handelt. 1,5 Stunden dauert die Abwicklung, doch sorgen über acht Schlagbäumen für Abwechslung; zudem sind wir aufgeregt: Nach 2.500km sind wir im „vorderen Asien“ angelangt!

70km vor Istanbul legen wir in Silivri einen Stopp ein. Wir steuern einen großen Parkplatz direkt am Meer an und bekommen es direkt mit der Polizei zu tun, jedoch freiwillig. An einer Minibude sitzen Einheimische und zwei Polizisten auf kleinen Plasikhockern und schlürfen genüsslich ihren çay, schwarzer türkischer Tee in kleinen Bauchgläsern. Wir setzen uns dazu, trinken mit und fragen nach einer Möglichkeit  zum Geld tauschen. Zunächst versteht uns keiner. Die beiden Beamten rufen zwei Kollegen über Funk. Uğur spricht hervorragend englisch und wenig später befinden wir uns in einem türkischen Streifenwagen, der uns mit Blaulicht durch die Stadt zum nächsten Juwelier braust. Dort tauschen wir in blindem Vertrauen 150 Euro in türkische Lira, denn wir kennen den Umtauschkurs nicht, doch der war gut, wie wir wenig später überprüfen konnten. Auf dem Rückweg noch ein kurzer Stopp beim Gemüsehändler. Vorräte aufstocken. Wieder am Strand angelangt, laden wir alle zum Tee ein. Uğur gibt uns noch seine Handynummer. Für den Fall, das wir Probleme bekommen. Er fährt die ganze Nacht Streife.
Nun stehen wir bei sonnigem Wetter seit zwei Tagen auf diesem Parkplatz. In Silivri konnten wir keinen einzigen ausländische Touristen ausmachen. Vor allem Türken selbst machen hier Urlaub und  auch wir genießen diesen schönen Ort.
Ich finde etwas Zeit mich um den LKW zu kümmern. Die Schadensbilanz der ersten Tage hält sich in Grenzen: Das Standgas hängt und die Druckluft-Kontrolle leuchtet dauerhaft. Beides kann ich in Silivri reparieren. Bis Istanbul sind es etwa 70km. Heute geht es weiter, in die Millionenstadt am Bosporus.

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