05.07.2009
Wenn man nicht mehr Kuppeln kann. Ein technischer Bericht
Suusamyr-Valley, Hochebene auf 2000m, Kirgistan, Kilometer 11.208
Wie einem „kleine Optimierungen“ am LKW vor Reisebeginn noch Wochen nach dem Start verfolgen können…
Bei uns war es die Kupplung, sicher ein Sonderfall, da wir einen ehemaligen Fahrschul-LKW fahren. Dennoch, für uns ist es eine weitere Erfahrung der Kategorie „Die werden sich schon etwas dabei gedacht haben, als sie das so einbauten.“
05.07.2009 – Suusamyr-Valley, Hochebene auf 2000m, Kirgistan, Kilometer 11.208
Wir geben den Radlern aus Frankreich noch ein paar Infos über ihre bevorstehende Strecke, von der wir am Vortag kamen. Dann schwingen sie sich auf ihre Sättel und strampeln los. Wir schauen den Vier noch eine Weile nach. Im Schritttempo überwinden sie den ersten Hügel und verschwinden.
Noch einmal denke ich, „Respekt, Respekt!“. Mit dem Rad wäre mir eine Nummer zu Hardcore und ziehe den Starterknopf vom LKW. Sogleich melden sich unsere 170 Pferdchen zur Stelle, bereit ihren heutigen Dienst zu verrichten. Ich quittiere mit einem Grinsen.
Doch das Grinsen dauert nur einen kurzen Moment. Warum geht die große rote Warnlampe nicht aus? Luftdruck ist ausreichen aufgebaut. Aha, der Bremsflüssigkeitsbehälter ist fast leer. Bloß wo ist das Zeug hin? Aha, bei Esther an den Füßen!
Jetzt muss ich etwas ausholen: Der LKW war ein ehemaliges Fahrschule-Feuerwehrauto und besitzt deshalb auf der Beifahrerseite zusätzlich ein Brems- und Kupplungspedal. Das nun ein Schlauch am Kupplungspedal abgesprungen ist hat eine längere Vorgeschichte, die schon zu Hause angefangen hat. Dort überholte ich kurz vor Reisestart die Bremsanlage und tauschte auch die Bremsschläuche an den Ausgleichsbehältern. Die Leitung zum Kupplungspedal an der Beifahrerseite legte ich lahm, da ich zu faul war wieder ein T-Stück einzusetzen. Brauchen wir ja nicht und eine Fehlerquelle weniger, dachte ich damals zumindest…
In Iran löste sich zum ersten Mal der Schlauch vom Beifahrer-Pedal. Zufall, dachte ich und stecke es einfach wieder drauf.
In Usbekistan rutscht der Schlauch erneut vom Pedal. Wieder Zufall? Auf jeden Fall schon wieder Sauerei im Fußraum. Grrr! (Bremsflüssigkeit greift Lacke sehr stark an) Ich schau mir die ganzen Leitungen zum und vom Pedal an. So richtig zu helfen weiß ich mir dennoch nicht und stecke kurzerhand den Schlauch wieder drauf. Diesmal zusätzlich mit einem Kabelbinder fixiert. Soweit zur Vorgeschichte.
Jetzt, zwei Wochen später, ist der Schlauch ein drittes Mal vom Pedal abgesprungen. Für meinem Geschmack etwas zu oft für einen Zufall. Diesmal packe ich die Metallsäge aus und lege die Geber-Leitung vom Kupplungspedal blind, die auf ein Drei-Wege-Ventil führt. Ein wenig rudimentär, diese Lösung, aber damit sollte das Problem erledigt sein.
Wir reinigen erneut den Fußraum des Fahrerhauses und setzen unsere Fahrt fort.
Wir erreichen die Stadt Toktogul. Wir schlendern ein wenig über den Markt und decken uns mit leckeren Tomaten ein. Anschließend steuern wir den 3.184m hohen Pass mit dem Namen Ala-Bel an.
Wir grübeln, denn es ist bereits später Nachmittag und dies ist unser erster Pass über 3.000m. Ich habe ein komisches Gefühl.
Als wir ein nettes kirgisisches Restaurant direkt an einem wilden Bach entdecken, entschließen wir uns die Passüberquerung morgen anzugehen.
Wir schlafen gut und der nächste Morgen begrüßt uns mit strahlenden Sonnenschein und einheimischem Frühstück: Tee, Joghurt und Brot – wofür wir nicht einmal bezahlen müssen. Selbst als kurzer Gast in einem Restaurant, wird man schnell von der Gastfreundschaft des Landes eingeholt. Später essen wir noch eine Suppe, doch unser Geld wird mehrfach vehement abgelehnt.
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Berge, wir kommen! Ich starte den Motor, lege den ersten Gang ein und … hmmm. Die Kupplung ist ja noch schwerfälliger, als sie normal schon ist. Ich nehme den Gang wieder raus und versuche erneut die Kupplung zu treten. Fehlanzeige. Das Pedal ist hart wie Stein. Das gibt’s doch nicht!
Zum Glück hat das Cafe Meder zwei Zufahrten, denn wir stehen nun recht dämlich mitten auf dem Parkplatz und können weder vor noch zurück. Erneut inspizieren wir die gesamte Kupplungsanlage. Aus dem 3-Wege-Ventil schaut nur noch das gestern abgesägte und gut verschlossener Leitungsstück. Wie kann das ein Problem sein?
Nach längerem Grübeln und Herumdoktorn kommen wir dahinter, dass das Ventil wie ein Rückschlagventil wirkt und durch Treten der Kupplung baut sich im abgesägten Stummelstück immer mehr Druck auf, der irgendwann dazu führt, dass das 3-Wege-Ventil nur noch in Richtung des Stummels offen ist und man beim Kuppeln gegen ein geschlossenes Ventil tritt. Das war auch der Grund warum der Schlauch mehrmals absprang, da sich immer mehr Druck in der Leitung zum Beifahrerpedal aufbaute.
Jetzt ist mir alles klar, jetzt weiß ich wie das alles funktioniert. Hätte ich das T-Stück zu Hause wieder eingebaut, wäre es zu all dem nicht gekommen. Doch die Erkenntnis hilft mir jetzt nichts, außer dass ich nun das machen muss, was ich von Anfang an hätte tun sollen: Wirklich alles ausbauen, was mit der zweiten Kupplungsanlage zu tun hat. Also entfernen wir das 3-Wege-Ventil, was nicht so einfach ist, da wir dafür die Bremsflüssigkeit umfüllen müssen und das Ventil sitzt ziemlich unzugänglich unter dem Auto. Doch nach etwa drei Stunden ist das Ventil ausgebaut, alle Leitungen wieder angeschlossen, Bremsflüssigkeit aufgefüllt und die Leitung zum Kupplungsgeber entlüftet. Endlich kann es weitergehen!
Zunächst zögerlich, ob nun alles wirklich funktioniert, fahren wir weiter. Tatsächlich ist das Problem damit beseitigt und wird uns auf der Reise nicht mehr belästigen.
Für den Schreck am Morgen, werden wir mit einer wunderschönen Passüberquerung belohnt. Bereits die Auffahrt ist grandios schön. Die Berge links und rechts von uns sind dicht mit Tannen geschmückt. Gebirgsbäche bahnen sich weiss-schäumend den weg ins Tal. Oberhalb der Baumgrenze weichen den Bäumen saftige Wiesen. Dort weiden die Pferde, Ziegen und Schafe der Nomaden, die sich hier zahlreich niedergelassen haben.
Auf der Passhöhe bläst ein kühler Wind. Etwas entfernt entdecken wir einige Schneefelder.
Von hier geht es ins Suusamyr-Vallay, eine Hochebene auf 2.000m. Dort wollen wir Kalibek besuchen. Ein Gleitschirmflieger, der sich hier eine Existenz mit Outdoor Aktivitäten aufgebaut hat.
Doch so leicht finden wir sein Base-Camp nicht und mit dem Gleitschirmfliegen mache ich es mir ebenfalls nicht leicht. Aber das eine weitere Geschichte…
(Leider keine Fotos von der Schraub-/Bastel-Aktion)