Iran, Yazd – Tabas, Kilometer 7.948
Auf einer einsamen Nebenstrecke machen wir erste Erfahrungen mit der Wüste. Die nicht immer so aussieht, wie man sich das vielleicht vorstellt und erstaunlich abwechslungsreich sein kann.
In der Wüstenstadt Yazd wird unser 15€ Miniventilator zum wichtigsten Ausrüstungsgegenstand und die Oase Tabas überrascht uns mit einer wunderschönen Moschee, die in keinem Reiseführer erwähnt ist.
In der Schlucht von Morteza Ali können wir die Hüllen fallen lassen und baden nackt unter einem Wasserfall.
Iran, Yazd – Tabas, Kilometer 7.948
Tag 50 unserer Reise. Wir wollen ins 800km entfernte Yazd, um von dort die Wüste zu durchqueren. Doch zunächst lässt man uns nicht auf die Autobahn. Die Stecke von Teheran nach Qom ist für LKW-Verkehr gesperrt und als solcher wird unser Fahrzeug eingestuft. Da hilft auch nicht der Vorschlag die Gebühr für einen Reisebus zu zahlen, die hier problemlos passieren dürfen. Die Polizei ist forsch, unfreundlich, packt mich am Arm und schiebt mich herum. Wir ärgern uns, denn wir wollen heute Strecke machen und warum man hierzulande den LKW-Verkehr auf die Landstraßen zwingt, verstehen wir nicht. Frech fahren wir wenige Kilometer später an der nächsten Auffahrt auf die Autobahn.
Doch weit kommen wir nicht, bevor uns die nächste Polizei-Streife rauswinkt. Wir dürfen hier nicht fahren, heißt es, doch hier zieht das Argument, das wir Touristen sind und können weiterreisen.
Starker Seitenwind lässt die Spanngurte flattern. Ich stoppe kurz um die Staukisten auf dem Fahrerhaus zu kontrollieren, als ein Streifenwagen hält und zwei Polizisten aussteigen. Einer von ihnen spricht gut Englisch und ermahnt uns erneut, dass wir abfahren müssen, da Lastkraftwagen nicht erlaubt seien. Der letzte Kontrollposten habe uns passieren lassen, weil wir Touristen sind, erkläre ich. Das reicht um weiterfahren zu dürfen, doch der junge Polizist interessiert sich privat für unsere Reise. Ich zeige ihm unsere Route auf der Karte und wir plaudern ein wenig über Träume. Seiner ist es irgendwann in Malaysia studieren zu können. Dort seien die Lebenshaltungskosten günstig.
Esther wundert sich, was ich so lange bei den Beiden treibe. Noch vor einer Stunde wollte ich jeden iranischen Polizisten auf den Mond schießen. Doch im Grunde hasse ich Pauschalisierungen und dies motiviert mich auch bei der dritten Kontrolle kurz hintereinander nicht genervt zu reagieren und dieser sympathische Gesetzeshüter bestätigt die Richtigkeit meiner Einstellung. Zum Abschied motiviere ich den Polizisten an seinem Traum festzuhalten und ihn umzusetzen. Es gibt immer einen Weg, er muss sich nur wagen ihn zu gehen. Sichtlich erfreut setzen sich die beiden in ihr Auto und fahren los. Doch nach wenigen Metern stoppt das Fahrzeug und setzt zurück. Der Beifahrer kommt noch einmal aus dem Auto gesprungen und schenkt mir eine traditionelle Halskette, die uns auf unserer weiteren Reise Glück bringen soll. Gut gelaunt setzen wir die Fahrt fort.
Die Route verläuft am Rande der Dasht-e-Kavir und bevor wir von Yazd aus die Wüste durchqueren, wollen wir möglichst jetzt schon viel davon sehen. Auf der Karte suchen und finden wir eine Nebenstrecke, die weiter in die Wüste führt.
Fast zwei Stunden fahren wir auf dieser endlos geraden Straße. Währenddessen kommt uns ein Tanklaster, ein Bus und ein Jeep entgegen, sonst niemand. Ein Geheimtipp, denn die Straße ist zwar schmal, doch der Belag in einem hervorragenden Zustand.
Die Wüste ist hier eben und glatt. Anfangs wachsen noch kleine Büsche und Gräser, doch auch diese werden immer weniger und verschwinden schließlich gänzlich aus dem Landschaftsbild. Weit und breit kein Haus, Mensch, Strauch oder Schatten. Am Horizont verschwindet die Straße in den Luftspiegelungen der sengenden Hitze.
Wir fahren runter von der Straße und riskieren ein wenig Offroad. Ich will mich mal mitten rein stellen ins „nichts“. Esther findet die Idee gar nicht so Klasse und hat Angst, das uns der Sand nicht trägt. Der Gedanke hier stecken zu bleiben ist wirklich nicht verlockend und immerhin fahren wir zum ersten mal abseits der Straße in solchem Gelände. Doch der Boden ist fest und nur an wenigen Stellen sinken wir einige Zentimeter ein.
Hier sieht die Wüste nicht aus wie man es sich zunächst vielleicht vorstellt. Es gibt keine Dünen und kein leuchtend gelben Sand. Stattdessen liegen auf dem Sand kleine schwarze und graue Steinchen, in exakt gleichmäßigem Abstand so weit das Auge reicht. Dieses Phänomenen erscheint surreal, als hätte sie jemand akkurat in der ganzen Wüste verteilt.
Wir halten an und steigen aus. Erst jetzt erleben wir die volle härte der Wüste. Wie aus einem gigantischen Heißluftfön, bläst uns der Wind um die Ohren und lässt unseren Schweiß sofort verdunsten. Das fühlt sich angenehm an, doch wir wissen, wie schnell wir hier austrocknen könnten und spüren, dass wir nicht hier her gehören. Nur die Tatsache, dass wir gleich wieder ins Auto steigen und weiterfahren können, lässt uns nicht in Panik geraten. Lange halten wir es in diesem Umluftofen nicht aus und mit etwas Schwung fahren wir die Böschung zur Straße hinauf um unsere Reise fortzusetzen.
Am Tag darauf erreichen wir Yazd. Dort haben wir uns mit Lisa und Johannes verabredet, die beiden Deutschen, die wir telefonisch kurz nach der Grenze kennenlernten. Sie reisen für vier Monate in einem alten Mercedes Bus bis Kirgistan und von dort über Kasachstan und Russland zurück nach Deutschland. Zur Zeit sind sie zu dritt, Christian, ein Freund begleitet sie für drei Wochen.
Wir treffen die Drei auf einem Platz an einer Moschee, mitten im Zentrum von Yazd. Zwei Nächte bleiben wir dort, erkunden die Stadt mit der Honda-Dax, stellen Berichte online und verirren uns in den verwinkelten Gassen der Wüstenstadt. Tagsüber steigt das Thermometer auf über 40 Grad, Nachts kühlt es kaum ab. Unser kleiner Ventilator im Wohnkoffer ist derzeit unser wichtigster Ausrüstungsgegenstand.
Lisa und Johannes brechen bereits am Abend des zweiten Tags auf, um weiter Richtung Süden nach Kerman zu fahren. Ihr Reiseführer preist dort „Sandcastles“ in der Wüste an. Wir würden gerne mitfahren, doch vermeiden wir es freiwillig eine Nachtfahrt zu starten und die Strecke über Kerman ist ein gutes Stück länger als unsere geplante Route über Tabas. Darum verabschieden wir uns vorerst, doch in Mashhad wollen wir uns wiedersehen.
Wir starten am nächsten Morgen; wollen die kühleren Morgenstunden nutzen. Unser Ziel Tabas ist eine Oasenstadt zwischen den beiden Wüsten Dasht-e-Kavir im Norden und der Dasht-e-Lut im Süden.
Einer der Highlights in Tabas ist mit Sicherheit die unübersehbare Moschee am Rande der Stadt. Das riesige, prachtvolle Gebäude ist von einer großzügig Anlage umgeben und ähnelt eher einem Palast. Wir setzen uns auf eine Bank und beobachten das Treiben rund um die Moschee. Doch dann bekommt Esther von einer Pilgerin den Hinweis, dass sie auch in der Parkanlage ein Tschador tragen muss. Also verlassen wir den heiligen Ort und durchkreuzen die, für LKW wie üblich gesperrte, Stadt auf der Suche nach einem Stellplatz oder einem Restaurant, werden jedoch nicht fündig. Wir stellen uns erst einmal vor eine kleine Parkanlage und schlendern durch die grüne Oase. Am Parkeingang sprudelt aus einem Rohr frisches, kaltes Wasser in dem wir unsere Füße und Arme kühlen.
Vom Hunger getrieben nehmen wir den Services eines Taxifahrers in Anspruch, der uns zu einem Restaurant führt. Dort bekommen wir, wie so oft, Kebabspieße serviert. An den Wänden hängen einige Poster mit Aufnahmen von Schluchten, Bergen und Oasen. Der Taxifahrer scheint es nicht eilig zu haben und wartet bis wir fertig gegessen haben. In der Zeit erklärt er uns stolz, dass es sich bei den Fotos an der Wand um Sehenswürdigkeiten rund um Tabas handelt. Ein beeindruckender Canyon weckt unser Interesse und wir erfragen wo wir ihn finden können.
Zurück am Auto wartet die Polizei auf uns. Passkontrolle und der Hinweis, dass wir hier nicht stehen bleiben dürfen. Der Taxifahrer eskortiert uns zurück zur Moschee, wo wir auf einem Parkplatz nächtigen. Auch dort werden wir noch einmal zur späten Stunde von anderen Polizisten kontrolliert.
Die Moschee ist auch nachts zugänglich und dann wunderschön beleuchtet. Gegen Mitternacht lockt es mich noch einmal zu einigen schönen Nachtaufnahmen aus dem Auto.
Am nächsten Tag steuern wir die 25km entfernte Schlucht Morteza Ali an, dessen ungefähre Lage uns der Taxifahrer am Vortag erklärte. Die Straße führt uns hinauf in die Berge. In der vegetationslosen Berglandschaft taucht, wie mit dem Pinsel platziert, plötzlich die kleine grüne Oase Kareveh auf. Von dort folgen wir einer steilen Schotterpiste hinab in die Schlucht und durchqueren den Fluss, der für diese markante Landschaft verantwortlich ist. Wir parken mitten im Canyon – von hier geht es nur zu Fuß weiter.
Zu großen Teilen laufen wir im Wasser weiter in die Schlucht hinein. An den engen Passagen sind die Felsen im Laufe der Jahrtausende rund und glatt gewaschen. An vielen Stellen tritt Quellwasser aus, teilweise sogar Heißes.
Der Weg durch die Schlucht scheint endlos, doch nach zwei Stunden wird die Schlucht breiter und der Wasserlauf verwandelt sich in einen gewöhnlichen Gebirgsbach.
Also laufen wir zurück und nutzen an einem natürlichen Wasserfall die Gelegenheit uns ausgiebig und ungestört im kalten Wasser zu Duschen. Erfrischt und munter treten wir den Rückweg an.
Am LKW angelangt, kämpft sich ein Auto durch das Flussbett und bleibt stecken. Mit vereinten Kräften schieben wir den Paykan, aus dem Wasser. Ohne Allrad hätte ich mich mit unserem schweren Fahrzeug auf keinen Fall durch den Fluss gewagt.
Ein Einheimischer zeigt mir eine schmale, hohe Spalte im Fels, aus der frisches Quellwasser fließt. Demonstrativ trinkt er aus der holen Hand einige Schlücke Wasser. Auch ich koste vom köstlich frischen Wasser. Die Öffnung aus der das kühle Nass sprudelt ist so breit, dass man sich gerade noch quer durch schlängeln kann. Ein Ende ist nicht zu erkennen, der Spalt verliert sich nach wenigen Metern im Dunkeln. Das weckt meine Neugier. Ich hole eine Taschen- und Stirnlampe aus dem Auto. Esther ist das zu unheimlich, also drücke ich dem Einheimischen die Taschenlampe in die Hand und stapfe los. Die Spalte ist teilweise weit über 5m hoch, aber nur etwa 30-50cm breit. Kalt und feucht ist es hier drin. Wir patschen etwa 20m durchs knöcheltiefe Wasser, dann wird es meinem einheimischen Begleiter ebenfalls unheimlich und alleine ist es mir zu gefährlich in eine unbekannte Höhle vorzudringen. Dabei hätte ich gerne gewusst wie weiter man gehen kann und ob sich vielleicht sogar ein größerer Raum im inneren der Höhle verbirgt. Zumindest wird der Spalt nicht merklich schmaler und ein Ende ist nicht ersichtlich. Wir drehen um und so bleibt die Höhe vorerst unerforscht.
Wir durchqueren das Kiesbett und fahren auf der Schotterpiste zurück zur Oase und verbringen dort auch den nächsten Tag im Schatten einer riesigen Kiefer.
Zwei Nächte am gleichen Ort zu stehen, führt meist dazu, dass die Polizei uns findet oder gerufen wird. So auch hier. Passkontrolle und die Frage was wir hier wollen. Das Wort „Chillen“ befindet sich nicht im Wortschatz eines iranischen Polizisten, also fragen wir nach dem Weg Richtung Mashhad, denn auf unserer Karte führt die Straße weiter durch die Berge in die richtige Richtung. Doch Straßenkarten sind geduldig und Straßen oft nicht (mehr?) vorhanden. Wir befinden uns in einer Sackgasse und müssen zurück nach Tabas.
Die Polizei eskortiert uns unnötigerweise dort hin, will uns den Weg zeigen, dabei sind wir ja von dort gekommen und es gibt nur diesen einen Weg. In Tabas will man uns immer noch übereifrig den Weg zeigen, sucht nach Englisch sprechenden Personen und werden noch einmal durch eine Passkontrolle weiterer Kollegen aufgehalten. Endlich können wir weiterfahren, doch dieser Tag wird mit insgesamt sechs Polizeikontrollen unser „Police Day“. Sogar auf der Suche nach einem Stellplatz in einer kleinen Stadt werden wir von der Polizei in Zivil aufgestöbert. Wir dürfen wieder mal nicht einfach irgendwo stehen und müssen vor der Polizeiwache parken, direkt an der Hauptstraße.