Mashhad, das zweite Mecca


iran_camelsign.jpg 06.06.2009
Mashhad, das zweite Mecca

Iran, Mashhad, Kilometer 8.260 Wir treffen Lisa und Johannes in Mashhad wieder und erfahren, dass wir die falsche Route gewählt und scheinbar die "richtige" Wüste verpasst haben.

Fast schon eine Pflicht ist die Besichtigung des Heiligen Schrein des Imam Riza, nach dessen Besuch wir auf einen Taxifahrer stoßen, der eigentlich gar keiner ist.

Außerdem in diesem Artikel: Wie komme ich als Ausländer in Iran an 1000$ Bargeld?

Iran, Mashhad, Kilometer 8.260

iran_camelsign.jpgUnsere Nacht vor der Polizeiwache in Bardiskan endet früh. Der Lärm an der Hauptstraße weckt uns zeitig. Inzwischen habe ich das Gefühl, Iraner schlafen gar nicht. Bis spät in die Nacht und bereits vor dem ersten Hahnenschrei herrscht reges Treiben – egal ob auf dem Land oder in der Stadt. Aber halb so schlimm, dafür erreichen wir entsprechend früher Mashhad.

Wir ziehen Resümee über unsere Wüstenerlebnisse und sind etwas enttäuscht. Wenig spektakulär empfanden wir die Felslandschaften mit Busch- und Grasvegetation. Von den erhofften haushohen Dünen und Sand soweit das Auge reicht, war nichts zu sehen. Wir hätten doch mit Lisa und Johannes nach Kerman mitfahren sollen. Sie erzählen uns in Mashhad von einer Bilderbuch-Wüstenlandschaft mitten durch die Dasht-e-Lut. Immerhin entdecken wir auf unserer Fahrt einige frei laufende Kamele.

iran_mashhad_magirus_mercedes.jpgWir verweilen vier Tage in Mashhad. Lisa und Johannes kommen einen Tag später an und wir lotsen sie zu unserem Stellplatz. Im schattigen Torogh Forest Garten, ein großer Campingplatz für Pilger, lässt es sich aushalten. Mashhad ist für iranische Verhältnisse eine moderne Großstadt. Man bekommt fast alles, wenn man weiß wo, denn große Supermärkte in denen alles an einem Ort zu finden ist, gibt es nicht.

Was es ebenfalls nicht gibt, sind Geldautomaten oder die Möglichkeit mit der Kreditkarte Geld abzuheben. Yazr aus Choubar Talesh am Kaspischen Meer erzählte uns von der Möglichkeit, Geld von Deutschland zur einer iranischen Bank zu transferieren. Da wir nicht wissen wann wir das nächste mal Euro oder Dollar abheben können,  testen wir diese Möglichkeit und beauftragten vor fünf Tagen meine Schwester in Deutschland 1000 Euro an die iranische Saderat Bank in Frankfurt zu überweisen, die wiederum das Geld an die Bank Saderat in Mashhad transferieren sollte.
Etwas mulmig ist uns schon, dass das Geld irgendwo auf der Strecke bleibt und tatsächlich weiß man von unserem Geld zunächst nichts. Auch am nächsten Tag heißt es, dass kein Geld angekommen ist und uns läuft die Zeit davon. Morgen ist Feiertag in Iran, danach Freitag, was hier dem deutschen Sonntag entspricht und Samstag und Sonntag haben die Banken in Deutschland geschlossen. Das Problem: Am Sonntag läuft unser Visa ab. Also sitzen wir beharrlich im Office für Geldwechsel in der Zentrale der Saderat Bank. Telefonate mit meiner Schwester, und Nachfragen bei der Bank in Frankfurt ergeben, dass das Geld noch gar nicht von Frankfurt transferiert wurde. Technische Probleme, administrative Hürden und eine Zeitverschiebung von drei Stunden lassen das Zeitfenster immer kleiner werden. Immer wieder bitte ich die Angestellten der Bank sich mit dem Modem einzuwählen, um die Überweisungen zu prüfen. 10 Minuten vor Geschäftsschluss erhalten wir die Bestätigung, dass das Geld angekommen ist und werden ausgezahlt. Puhh!
Es ist also möglich sich Geld schicken zu lassen, bei dem Aufwand und Zeitbedarf (ein Tag in der Bank verbracht) allerdings nicht ratsam.

iran_tschador.jpgBekanntermaßen sind wir nicht gerade begeisterte Museumsbesucher oder rennen von einer Sehenswürdigkeiten zur nächsten. Doch Mashhad ist nach Mecca die zweitgrößte heilige Stadt der Welt und zieht jährlich 20 Millionen Pilger an. Ihr Ziel ist der Heilige Schrein des Imam Reza.
Wir nehmen uns zu viert ein Taxi und fahren ins Zentrum um ebenfalls den heiligen Ort zu besichtigen. Strenge Kontrollen am Eingang, die zum Einen zur Sicherheit dienen und zur Einhaltung religiöser Vorschriften. Denn Esther und Lisa dürfen die Anlage nicht ohne Tschador betreten. Ein Tschador ist ein bodenlanger Umgang, der nur das Gesicht frei lässt. Damit sie dennoch das Gelände betreten können, bekommen die Beiden gratis einen Umhang geliehen. Eine hübsche Iranerin bringt den beiden das notwendige Kleidungsstück und begleitet uns auf unserem Weg durch die weitläufige Anlage. Sie erklärt uns was es mit den vielen Gebäuden auf sich hat. Es gibt eine Bücherei, ein Museum, eine Universität und natürlich eine Vielzahl von Gebetshallen und anderer Gebäude.
Am Eingang beobachteten wir, wie eine Gruppe Männer mit Gesang und im Laufschritt einen mit einem Tuch abgedeckten Sarg ins Gelände tragen. Ihnen voraus ein Geistlicher. Da wir dies mehrfach beobachten können, gehen wir davon aus, dass es sich lediglich um ein symbolisches Ritual handelt, doch unsere kostenlose Führerin erwidert, dass sich im Sarg tatsächlich ein Toter befindet. Dieser wird auf dem Gelände mit heiligem Wasser gewaschen, was als besondere Ehre gilt. Jetzt ist mir auch klar,  warum die Männer es so eilig hatten.
Den eigentlichen Schrein dürfen wir nicht betreten, das ist Moslems vorbehalten, doch wir sind auch so sehr beeindruckt von dieser riesigen Anlage, die immer noch weiter vergrößert wird und sich an manchen stellen im Bau befindet. Da Fotografieren nicht erlaubt ist, schieße ich unauffällig aus der Hüfte ein paar Fotos mit dem Handy.

iran_holy_shrine_handy_1.jpg  iran_holy_shrine_handy_2.jpg

Bevor wir uns auf den Rückweg zur Parkanlage begeben, checken wir eMails im Internetcaffe und stellen Berichte online. Dann winken wir wie gewohnt einem Fahrzeug, das uns zurückbringen soll.
Der Fahrer ist mit unserem Preisvorschlag (20.000 Real, ~1,30€) einverstanden. Auf der 15 minütigen Fahrt, stellt sich heraus, dass der junge Mann gar kein Taxifahrer ist, sondern gerade auf dem Weg zu seiner Mutter war. Die wohnt allerdings komplett in der entgegengesetzten Richtung. „That’s no problem!“, beteuert er. Er würde sich freuen Fremden helfen zu können und könne so auch ein  wenig englisch üben.
In Iran gibt es wahrscheinlich mehr sogenannte „private taxis“ als offiziell Zugelassene. Von daher ist es nicht ungewöhnlich, dass man sich ein Fahrzeug ohne Taxischild herbei winkt. Das sogar Leute anhalten, die gerade auf dem Weg zu Ihrer Mutter sind, war uns neu.
iran_mashhad_inetcafe.jpgWas wir ebenfalls neu lernen mussten, ist die Art und Weise, wie man stark befahrene Straßen in einer asiatischen Großstadt überquert. Zebrastreifen konnten wir kaum entdecken und wenn, dann halten die Autos dennoch nicht an. Da es kaum ein Phase gibt, an der von beiden Seiten keine Autos kommen, läuft man schon los, wenn sich nur eine kleine Lücke zeigt. Am Mittelstreifen bleibt man stehen, zieht den Po ein und schaut in die andere Richtung um dort eine Lücke zu entdecken. Das ganze erinnert mich sehr an das gute alte „Frogger“-Computerspiel in den 80’ern – mit dem Unterschied, das man hier nur ein Leben hat.

Johannes und ich nutzen unseren Aufenthalt auf dem Pilger Campingplatz um unsere Wagen zu checken. Ich demontiere noch einmal das linke Hinterrad um die Bremsen zu begutachten, doch hier scheint alle wieder in Ordnung. Wir schmieren alles ab, Johannes wechselt das Öl vom LKW, ich von der Dax und bastle noch eine Führungsschiene um das Moped einfacher aufzuladen. Dem Wackelkontakt in der Beleuchtung komme ich leider noch nicht auf die Schliche – vielleicht gar nicht schlecht, dann komm ich auch nicht auf die Idee Nachts zu fahren.

iran_mashhad_marshmellow.jpgUnser Visa läuft heute ab, wir brechen am frühen Morgen zur Grenze nach Turkmenistan auf. Johannes und Lisa warten noch auf ihr Visa für Kasachstan. Wir planen uns in Kirgistan wieder zu sehen.

In Mashhad erleben wir übrigens die Heiße Phase vor den Wahlen. Überall hörte man Wahlparolen durch Lautsprecher quaken. Durchs offene Fenster reichte man uns Flyer. Zwei Tage vor den Wahlen verlassen wir das Land. Das war nicht geplant, aber nachdem wir später von den Unruhen nach den Wahlen erfahren, ein idealer Zeitpunkt um neue Länder zu entdecken.