09.06.2009
Transit durch Turkmenistan
Grenze Turkmenistan-Usbekistan, Kilometer 9.212
Nach vier Wochen Aufenthalt, verlassen wir Iran und begeben uns für ganze drei Tage nach Turkmenistan. Mehr als ein Transitvisum wollte man uns in Deutschland nicht ausstellen – doch bevor wir einreisen können werden wir ordentlich zur Kasse gebeten.
Während unseres Aufenthalts sehen wir brunkvolle Gebäude, trinken Kamelmilch, übernachten in der Wüste und besuchen einen lokalen Markt.
Grenze Turkmenistan-Usbekistan, Kilometer 8.960
Da wir nicht wissen wie es mit der Versorgung von Diesel in Turkmenistan aussieht, wollen wir mit vollen Tanks über die Grenze. Billiger als in Iran kann der Diesel ohnehin nicht sein. An einer der letzten Tankstellen betteln wir noch einmal um Sprit, den wir ja eigentlich nur mit einer Tankkarte bekommt. Wir sind erfolgreich und schaukeln mit 600 Liter Diesel der turkmenischen Grenze entgegen. Zur Erinnerung: 600 Liter Diesel kosten in Iran knapp 8 Euro.
Ein mir mittlerweile sehr bekanntes Geräusch zwingt mich zum erneuten Stopp. Mit unseren Kisten auf dem Dach und den schweren Druckluftschwingsitzen ist unsere Fahrerkabine zu schwer. Die zwei Gummipuffer des Kippfahrerhaus sind 35 Jahre alt und haben ihr Soll schon lange erfüllt. Nun hängt die Kabine gut 5cm zu tief und scheuert an zwei Stellen der Druckluft-Hauptversorgung. Die Leitungen einfach wegzubiegen funktioniert inzwischen nicht mehr, wir müssen die Ursache für das Problem in den Griff bekommen: Die Kabine muss höher. Vier Kabelbinder und eine Dachlatte unter den Anschlag heben das Fahrerhaus um die entscheidenden Zentimeter an. Diesem Provisorium gebe ich gerade mal die nächsten 100km bis zur Grenze. Das das Provisorium 7.000km später immer noch funktioniert, hätte ich nicht geglaubt.
Zweimal fahren wir am iranischen Grenzposten vorbei. Denn die Einfahrt gleicht eher einem staubigen Werksgelände eines Logistikunternehmens.
Draußen bewegt sich gar nichts – zu recht, es ist brütend heiß. Im klimatisierten Custom Gebäude hingegen herrscht eifriges Gewusel. Die Guides haben hier sogar kleine Schreibtische mit abschließbaren Schubladen, um Ihre Unterlagen zu verstauen. Wieder einmal drängt sich einer der Männer auf, um die Abwicklung für uns zu erleichtern. Warum auch nicht, die Formulare sind in Farsi geschrieben und manchmal weiss sogar der Guide nicht was er bei unserem Sonderfall eintragen soll und muss Nachfragen.
Wir werden nach der Tankkarte gefragt, die wir abgeben sollen. Und tatsächlich, auf dem Schreibtisch liegt ein Stapel der von uns so lange gesuchten Karten, inklusive der entsprechenden Formulare, in die man seine geplante Route einzeichnet. Das wir keine Karte haben, glauben die Grenzer erst, als wir unsere Odyssee an der Türkisch-Iranischen Grenze erzählen. Ansonsten sind wir mit dem Papierkram zügig fertig, zahlen dem Guide 5$ statt der verlangten 30$ und können weiter.
Ein kleiner Fluss trennt Iran von Turkmenistan, an dem noch einmal die Richtigkeit unserer Papiere geprüft und ein Blick in unseren Wohnkoffer verlangt wird. Danach fahren wir gut zwei Kilometer durchs Niemandsland und werden schließlich von Männern in lustigen Uniformen empfangen. Eigentlich sehen die Grenzsoldaten mit ihren riesigen Hüten aus wie Ranger. Schade das ich nicht gefragt habe, ob ich sie fotografieren darf.
Die Turkmenen nehmen es mit der Einreisekontrolle etwas genauer. Zum ersten Mal steigt jemand mit mir aufs Fahrerhaus um in die Staukisten zu schauen. Auch das Innere des Wohnkoffers wird genauer inspiziert, wenngleich sich die Kontrollen auf Stichproben diverser Schubladen und Kisten beschränken. Mit Sicherheit spielt auch ein wenig Neugier mit – nicht jeden Tag passieren europäische Touristen in einem Wohn-LKW die Grenze.
Es wird nach dem Moped gefragt und was wir damit vorhaben, denn damit dürften wir nicht in Turkmenistan fahren. Das haben wir auch nicht vor, erklären wir. Doch damit es keine Probleme bei der Ausreise gibt, wollen die Grenzer, dass das Moped in der Zolldeklaration eingetragen wird. Das ist sicher sinnvoll und wir füllen noch einmal die entsprechenden Dokumente aus.
Wir haben schon von Lisa und Johannes gehört, dass die Einreise nach Turmenistan nicht billig wird. Tatsächlich bezahlen wir einen stolzen Betrag von 184$ gegen Quittung. Der Betrag setzt sich hauptsächlich aus Strassengebühren und Dieselzuschlag zusammen. Beides ein Hohn, denn die Strassen befinden sich in einem schlechten Zustand und Diesel tanken wir keinen Tropfen während unseres Transits.
Für Turkmenistan haben nur ein vier Tag-Transitvisum bekommen und uns deshalb nichts im Land vorgenommen, außer heil die Grenze nach Usbekistan zu erreichen. So fahren wir ziellos Richtung Usbekistan, auf Straßen mit Spurrillen so tief, dass man sich darin verstecken kann.
Schließlich die tägliche Suche nach dem Stellplatz für die Nacht. Unentschlossen fahren wir weiter und weiter, da uns kein Platz geeignet scheint. Es fängt an zu dämmern und wir haben das Gefühl nirgendwo schlafen zu können. Am Straßenrand sehen wir drei LKW mit iranischem Kennzeichen. Wir fragen nach dem Weg und einer Möglichkeit zum Übernachten. Wir sollen ihnen einfach folgen, in 50km kommt ein Restaurant mit Parkplatz, an dem sie auch übernachten. So folgen wir einem der Fahrer durch die Dunkelheit, doch die Straßen sind von der üblen Sorte und der Wackelkontakt an unseren Scheinwerfern tut ihr übriges. Nach 90km und mitten in der Nacht erreichen wir den besagten Rastplatz. Ruhe finden wir dennoch keine, es herrscht reger An- und Abreiseverkehr internationaler LKW.
Insgesamt 400km sind wir heute trotz schlechter Straßen und Grenzübergangs gefahren. Die Nerven liegen blank. So hatten wir uns das nicht vorgestellt. Die ständig Suche nach einem Platz für die Nacht ist nervtötend. Das „einfach rechts Abbiegen“, war eines unserer Hauptgründe der Entscheidung mit einem großen Fahrzeug auf Reise zu gehen. Wie schön einfach ist es doch in Europa. Während unserer beiden Probereise in die Alpen hatten wir nie Probleme einen Schlafplatz zu finden. Erst jetzt schätzen wir die Länder, in denen alles so reglementiert und geordnet abläuft, denn dies bedeutet auch, dass man weiss woran man ist und entsprechende Möglichkeiten von vorn herein kennt.
Das uns hier gleich zwei Kilometer nach der Grenze ein Polizeiposten nach „Dollar für nix“ fragt, ist da noch das kleinere Übel.
Und was die Sicherheit anbelangt, so fühlen wir uns zwar „sicher“, aber natürlich ist das immer noch etwas anderes als in Deutschland, Schweiz oder Österreich zu campieren. Umsonst werden die vielen Kontrollposten nicht sein und in Iran sehen wir sogar bemannte Flagstellungen.
Bei der Duchfahrt durch ein kleines Dorf entdecken wir bei einem Haus mehrere Kamele. Wir wollen die Tiere von Nahen sehen und biegen ab. Zu Fuss nähern wir uns dem Gatter und werden von wild kläffenden Hunden angekündigt. Es dauert nicht lange und die ganze Familie der Kamel-Besitzer erscheint. Sie erklären uns, dass sie die Kamele für Milch und Fleisch züchten. Zwei von Ihnen sind Karavanentiere und gerade vermietet. Wir bekommen vergorene Kamelmilch angeboten. Trotz dass die uns nicht sonderlich schmeckt und wir dankend ablehnen, bekommen wir eine ganze Flasche von diesem säuerlich, leicht blitzenden Gesöff mit auf den Weg.
Am nächsten Tag erreichen wir die Stadt Mary und besichtigen eine wunderschöne Moschee, Esther zum ersten Mal ohne Kopftuch. Zunächst dürfen wir nicht fotografieren, uns entgeht, dass der Mullah noch anwesend ist. Doch wenig später darf ich mit Unterstützung einer Putzfrau einige schöne Fotos schießen. Vor der Moschee prangt ein riesiges Plakat vom verstorbenen Präsidenten und als „Türkmenbaşy“ bekannten Das repräsentative, prachtvolle Gebäude stellt einen heftigen Kontrast zum ansonsten ärmlichen Land dar und ist ein Beispiel der ehemaligen Staatsführung Nyýazow. Seit seinem Tot hat sich nicht viel geändert. Wir spazieren ein wenig durch die Stadt und sehen weiter Prachtbauten mit blank geputzten Marmorstufen und goldene Statuen vom Türkmenbaşy, dem „Führer der Turkmenen“.
Fast die gesamte Landfläche Turkmenistans wird von der Karakum Wüste eingenommen. Die Hauptstrecke nach Usbekistan führt uns immer wieder durch Wüstenabschnitte. Erstmalig auf unserer Reise finden wir einen wunderschönen Nachtplatz inmitten der Sanddünen.
Wir genießen die Ruhe und Abgeschiedenheit. Endlich können wir auch einmal im Freien duschen. Es wird dunkel und die Temperaturen sinken in der Nacht auf angenehme Werte. Ich steige auf das Dach des Wohnkoffers und bewundere den Sternenhimmel.
Am nächsten Morgen quälen wir uns früh aus dem Bett, denn wir wollen den Sonnenaufgang nicht verpassen. Das GPS informiert uns wann die Sonne aufgeht: Um 5:25 Uhr. Wir klettern auf eine Düne und beobachte wir der Feuerball langsam am Horizont erscheint und rasch emporsteigt.
Ein leises knacken und knirschen weckt meine Aufmerksamkeit. Unmittelbar neben uns auf dem Boden entdecke ich eine Vogelspinne in der Größe einer Untertasse. Sie hat sich gerade einen der vielen schwarzen Wüstenkäfer zum Frühstück gefangen. Noch zappelt der Käfer, doch selbst sein harter Panzer kann ihn nicht vor den großen Beißzangen der Spinne retten. Wenig später ist der Kampf vorüber. Die Spinne zieht sich mit Ihrer Beute in ein Erdloch zurück.
Ungewöhnlich früh befinden wir uns wieder auf der Straße. Auf dem Weg zur Grenze nach Usbeskistan kommen wir an einem schönen Wochenmarkt vorbei. Märkte sind quasi das Zentrum der landestypischen Kultur. Wir haben Zeit und nutzen die Gelegenheit am bunten Treiben teil zu haben.
Esther kauft sich ein farbenfrohes Kleid und ein Kopftuch. Als Europäer fällen wir natürlich immer auf, doch die Menschen sind freundlich und wir fühlen uns mitten im Gewusel pudelwohl.
Kurz vor der Grenze kommen wir an eine Art Kontrollposten, vor dem sich eine lange LKW-Schlange gebildet hat. Wir fahren wie gewohnt frech daran vorbei.
Wir sollen 100.000 Manat Gebühr bezahlen (umgerechnet 20$) und noch einmal 40$ für unser Auto, das in die Kategorie bis 10to eingestuft wird. Da wir schon bei der Einreise kräftig Zahlen mussten, bin ich schnell gereizt und werde vor allem lautstark, weil mir keiner so richtig vermitteln kann, für was das Geld sein soll.
Immerhin kann ich die verlangten Beträge Schwarz auf Weiß auf einer Gebührentafel entdecken und kann Bakschisch ausschließen.
Zähneknirschend zahle ich die Summe. Ein paar hundert Meter weiter ahne ich für was das Geld verlangt wird: Für eine schrottreife Pontonbrücke über den Amudarja, ein riesiger, schlammbrauner Fluss. Wir haben Pech, die Brücke ist nur in einer Fahrrichtung gleichzeitig befahrbar und unmittelbar vor uns darf erst einmal der Gegenverkehr passieren.
Dann bleibt auch noch ein Kranwagen mitten auf der Brücke stehen und wir werden gefragt, ob wir Abschleppen können. Da wir selbst noch über die Brücke wollen, ist mir das auch recht, doch irgendwie springt die Karre von selbst wieder an und nach etwa einer Stunde dürfen wir über die wackeligen Schwimmkörper fahren.
An der Grenze selbst, Abfertigung wie üblich. Vom einen Büro ins nächste, Papiere hier, Formulare da. In einem winzigen Büro erlebe ich einmal mehr, dass Truckfahrer, die sicherlich öfter die Grenze passieren als wir, nicht unbedingt schneller oder besser abgewickelt werden. Ein türkischer LKW-Fahrer scheint Probleme mit seinen Papieren zu haben, evtl. sind sie abgelaufen. Lautstarke Diskussionen. Dann knallt er Geld auf den Tisch. Ein Dritter mischt sich ein, worauf er die geballte Faust gezeigt bekommt. Die Lage ist kurz vor der Eskalation. Ich sitze mitten drin und verhalte mich lieber still.
Anschließend bleibt ein wenig Zeit im Raum für einen kurzen Dialog mit den anderen Truckern. Als sie erfahren, dass wir nach Usbekistan fahren (wohin sonst, wenn wir an deren Grenze stehen), zeigt einer der Fahrer mit einer Geste, dass dort rumgeschossen wird, was ich allerdings für Quatsch halte. Jeder scheint sein eigenes Land für das Beste und Sicherste zu halten.
Nach etwa 1,5 Stunden sind wir durch die turkmenische Grenze. Viel haben wir nicht von Turkmenistan sehen können. Doch war es nicht unsere Entscheidung nur vier Tage im Land verbringen zu können. Mehr als das Transitvisum war nicht zu bekommen – und auch das nur gerade noch rechtzeitig.
Das nächste Land wartet auf uns: Usbekistan.