Korrupte Polizisten und liebenswerte Menschen


Zum Artikel: Korrupte Polizisten und liebenswerte Menschen17.06.2009
Korrupte Polizisten und liebenswerte Menschen

Usbekistan, Bagdod, Kilometer 10.040

Auf der Suche nach einem kühleren Plätzchen brummen wir viele hundert Kilometer durch die ehemalige Sowjetunion. Die seltsame Straßenführungen nutzt ein korrupter Polizist und meint schnelles Geld mit uns machen zu können. Für solche Späße sind wir schon zu lange unterwegs.

Im Fergana-Tal rasten wir unter schattigen Bäumen, lernen eine usbekische Familie kennen und genießen deren Herzlichkeit. 

17.06.2009 – Usbekistan, Bagdod, Kilometer 10.040

Lautes Vogelzwitschern weckt uns. Neben uns befindet sich ein Haus im Rohbau. Doch unzählige Spatzen sind offensichtlich schon eingezogen. Wir beobachten die kleinen Piepmätze noch eine Weile, bevor wir uns aus dem Bett rollen – es ist noch früher Morgen.
 

Zurück auf dem Asphalt sind wir etwas unsicher, was die weitere Straßenführung anbelangt. Als unter Stalin die ehemaligen Sowjetrepubliken unabhängige Staaten wurden, achtete man nicht sonderlich auf die Verkehrsrouten. Ein gutes Beispiel dafür ist die M39 durch Usbekistan, die für ein kurzes Stück durch Kasachstan führt. Die Strecke ist auf Karten immer noch als Hauptroute eingezeichnet, praktisch ist sie jedoch unterbrochen und nicht mehr fahrbar. Stattdessen führen zum Teil Nebenstraßen im Bogen um diese Länderzipfel.
Nahe einer solchen Abzweigung haben wir erneut Kontakt mit der Polizei. Zuerst verstehe ich nicht was man mir mitteilen will, die Straße ginge hier nicht weiter. Auf der Karte werden wie wild unsinnige Routen aufgezeigt, doch letztlich wissen sie nicht mal wo wir uns überhaupt auf der Karte befinden. Nachdem ich brav alle Fahrzeug-Papier aushändige, wird mir in Klartext vermittelt, dass ich 100$ Strafe zahlen soll. Doch ein Grund dafür kann mir nicht genannt werden und somit für mich auch kein Grund auch nur einen Dollar zu zahlen. Demonstrativ verschwinden meine Papiere im nächsten Streifenwagen. Zunächst noch freundlich, werde ich nach ein paar Minuten Diskussion leicht verärgert bis zornig und nachdem ich auch das Angebot „nur“ 50$ zu zahlen mit einem Lachen quittiere, bekomme ich die Papiere wieder ausgehändigt und kann weiterfahren. Manchmal frage ich mich wirklich ob es tatsächlich so dämliche Touristen gibt, die solche Machtspielchen mitmachen.

usbekistan_doc_party.jpgStattliche 603km fahren wir in den nächsten zwei Tagen. Wir sehnen uns nach einer kühleren Umgebung und gelangen über den 2160m  hohen Kamchik-Pass ins Fergana Valley. Das Tal ist  verhältnismäßig grün bewachsen, doch das sorgt eher für ein feucht  warmes Klima, statt für eine Abkühlung. Dieses Klima ist auch Grund dafür, dass in dem 300km langen und 110km breiten Tal rund 10 Millionen Menschen leben. Zuviel für Zwei, die ein Plätzchen in der Natur suchen.
Also suchen wir uns einen Platz an einem Restaurant. Zwar keine 20m von der Hauptstraße entfernt, aber unter großen schattigen Bäumen.
Dort feiert gerade eine Gruppe von Ärzten. Einige sind bereits gut angeheitert. Wir werden gebeten dem feucht fröhlichen Treiben beizusitzen und bekommen Plow serviert, einem für zentral Asien typischen Reisgericht. Leider diesmal sehr fettig, was den Ärzten als gute Basis ihres Wodkagenusses zu dienen scheint. Ich lehne immer wieder ab, doch um ein paar Gläschen komme ich nicht herum.
usbekistan_doc_daughter.jpgWir erzählen von unserer Reise, genauer gesagt zeichne ich unsere Geschichte mangels Sprachkenntnisse vielmehr auf einen Block. Das klappt super. Einer der Ärzte erinnert sich, vielleicht auch auf Grund seines Alkoholpegels, nur an zwei Worte seines Englisch Vokabular: „People“ und „Children“. Außer das er Kinderarzt ist, kann er uns damit nichts mitteilen, doch das hält ihn nicht davon ab, die beiden Wort immer wieder lautstark in die Runde zu werfen.
Wir lachen viel und die Zeit vergeht. Als sich die gesellige Runde auflöst, werden wir wieder zum Schlafen nach Hause eingeladen. Einer der Ärzte wohnt gleich nebenan. Doch wir lehnen wie gewohnt ab – unser Heim für die Nacht ist und bleibt unsere 8qm Hütte auf dem LKW. Dort brauchen wir nur die Türe zu öffnen und haben alles was wir brauchen, finden wir eine vertraute Umgebung vor. Für uns mental sehr wichtig, bei den täglichen ununterbrochenen neuen Eindrücken, die auf uns herein prasseln.
 
usbekistan_portrait.jpgAm nächsten Morgen klopft es an der Türe und die Frau des Artzes vom Nachbargrundstück bringt uns eine Art Sahne, eine Creme, die wir noch öfter angeboten bekommen werden. Nach dem Frühstück  unter den großen Bäumen bringen wir den Teller zurück. Die Frau backt gerade in einem Steinofen frisches Brot. In der Mitte befindet sich die Glüht. Der Teig wird in Fladen geformt und an die Innenwand des Ofens geworfen. Mit einem Zischen bespritzt die Frau des Hauses das Brot mit Milchwasser. Es sorgt dafür, dass das Brot schön knusprig wird.
Das Grundstück ist nicht sonderlich groß, doch scheint es die Familie mit den wichtigsten Lebensmitteln versorgen zu können.
Über der großen Veranda ranken Weinreben, davor befindet sich ein winziger Getreide und Kartoffelacker. Wir entdecken zwei Kirchbaumarten, Mandel- und Walnussbäume. Aus einem kleinen offenen Stall blöken zwei Schafe. Eine Kuh grast gerade draußen vor dem Restaurant und einige Hühner mit fünf kleinen Küken picken eifrig nach Körnern. Zwischen unseren Beinen springt ein junger Welpe umher. Esther gefällt es hier sehr und auch ich bin ein wenig neidisch auf dieses schöne Grundstück und die Art des Lebens.

Am Abend werden wir zum Essen eingeladen. Dimlama, nennen die Usbeken dieses lecker Kartoffelgericht, mit Tomaten, Zwiebeln und Knoblauch, sowie ein paar Stücke Fleisch. Gegessen wird direkt mit einem Löffel aus der großen Schüssel in der Mitte des Tisches, oder man tunkt ein Stücken Brot in die kräftige Brühe.
Als Nachtisch gibt es Saft vom selbst gemachten Kirchkompott. Zu Trinken gibt es Tee – oder Wodka. Wieder in rauen Mengen, vielleicht als Ersatz für den nun nicht mehr so lecker schmeckenden Tee.
Später kommt ein Freund und spielt auf einer traditionellen Gitarre und , Shoxsanam die jüngste Tochter fängt an zu tanzen.

usbekistan_dog.jpg usbekistan_chicken.jpg

Den Tag darauf verbringen wir mit Wäsche waschen, Aufräumen und DVD gucken. Ich sortiere und lösche Fotos.
Unter den großen Bäumen lässt es sich aushalten, dort ist es schön schattig, allerdings bekommen wir kaum Strom aus den Solarzellen.

usbekistan_doc_wife.jpgAm Abend sind wir wieder zum Essen bei Familie Mamadalieva eingeladen. Wir bringen unser Notebook mit und zeigen Bilder unserer Familie und der Reise. Verständigungsprobleme lösen wir erneut mit Papier-Zeichnungen und Zeichensprache. So verbringen wir einige Stunden und fühlen uns hier pudelwohl. Mirzakbar, der Arzt, schenkt mir eine usbekische Kopfbedeckung, einen kleinen Falthut. Zum Ausgleich der Gerechtigkeit bekommt Esther von der Mutter Sanoat ein Kopfttuch. Später sagt sie zu Esther: „I love you!“.

Am nächsten Morgen wache ich wieder früh auf, 4:30 Uhr. Zwar schlafe ich wieder ein, doch sobald es hell ist, haben wir den Autolärm von der Straße.
Nach drei Tagen in dieser gastfreundlichen und liebenswerten Umgebung fühlen wir uns dennoch erholt. Scheint sich endlich ein reiseverträglicher Rhythmus zu finden? Kommen wir langsam an? Ich bin gespannt, denn bisher war es immer so, dass sobald wir losfahren und spätestens am Abend nach einem Schlafplatz suchen, von der Erholung nichts mehr übrig war.

usbekistan_esther_family.jpg usbekistan_veranda.jpg