Einreise Kirgistan – Neues Land, neues Glück


Zum Artikel: Einreise Kirgistan - Neues Land, neues Glück 27.06.2009
Einreise Kirgistan – Neues Land, neues Glück

Osh, Kirgistan, Kilometer 10.581

Mit einem Reisetief verlassen wir Usbekistan und hoffen auf Besserung in Kirgistan. In der Tat haben wir einen schönen Start im neuen Land.
Damira, eine junge Kirgisin, hilft uns einige To-Do’s schnell abzuhaken. Mit Ihr und Ihrer Familie können wir einige Tage erfolgreich entspannen und stimmen uns auf ein Land voller Berge und Natur ein – wie uns mehrfach berichtet wurde.

27.06.2009 – Osh, Kirgistan, Kilometer 10.581

kirgistan_osh_hill_kid.jpgWir stehen an der Grenze Usbekistan – Kirgistan. Wie in unserem letzten Reisebericht „(Alp-)Traum Weltreise“ zu lesen ist, sind wir an einem Tiefpunkt unserer Reise angelangt.

Da wir diesen Bericht drei Monate verspätet schreiben, wollen wir nicht verheimlichen, dass wir inzwischen wesentlich entspannter unterwegs sind. Um den nächsten Berichten noch weiter vorzugreifen: Unsere darauf folgende China-Durchquerung war einerseits der absolute Horror, zumindest fahrtechnisch, andererseits eine harte Kur, die uns bewies, was wir alles überstehen und vieles nur noch halb so schlimm ist. Zudem war es schön dieses Abenteuer nicht alleine durchstehen zu müssen. Mit Leon und Günther hatten wir zwei hervorragende Reisegefährten, die uns mit einem VW-Bus synco auf dieser Strecke begleiteten.

Doch der Reihe nach. Nur eine knappe Stunde dauert unsere Ausreise aus Usbekistan und die Einreise nach Kirgistan. Zwei Beamte und ein deutscher Schäferhund schnüffeln kurz vergeblich im LKW nach Rauschmitteln. Gebühren werden keine fällig – eines unserer schnellsten und angenehmsten Grenzübergänge.

kirgistan_osh_hill_esther.jpgKeine zehn Kilometer entfernt fahren wir in Kirgistans „zweiter Hauptstadt“, Osh, ein. Passend zur schnellen Grenzüberquerung erleben wir hier, dass auch andere Dinge rasch erledigt sein können. Zunächst suchen wir ein Internetcafe auf. Zwar gibt es dort keine Verbindung, dafür lernen wir Damira kennen. Sie hat im Raum nebenan Privatunterricht in Englisch gegeben und hilft uns nun erfolgreich unsere To-Dos abzuarbeiten: Wir kaufen eine lokale Sim-Karte fürs Handy, kommen innerhalb weniger Minuten an einem Geldautomat an Bargeld, finden auf einem Autoteilemarkt einen neuen großen Außenspiegel und neue Fernscheinwerfer, können in einem Supermarkt ergiebig einkaufen, eine Verbindung ins Internet bekommen wir ebenfalls und verhungern müssen wir auch nicht, wir essen lecker und günstig in einem kleinen Restaurant. Alles innerhalb eines Nachmittags in einer fremden Stadt. Rekord verdächtig.
Als Bonus kein Frust bei der Nachtplatzsuche, denn wir fahren mit Damira aufs Land zu ihren Eltern. Neun Kilometer östlich von Osh, teilen wir uns den Garten der Familie Orozmamatova mit einem Kälbchen und einem scheuen, weißen Geißbock.

kirgistan_osh_hill_view.jpgAm nächsten Morgen fahren wir mit Damiras Eltern in die Berge. Zum ersten Mal sind wir mit vier Personen in LKW unterwegs. Esther macht es sich während der Fahrt hinten auf dem Bett bequem, die Eltern dürfen vorne im Fahrerhaus platz nehmen.
Wir befinden uns auf der Straße, die rund 250km weiter zum Irkeshtam-Pass führt, einer von zwei passierbaren Grenzen Kirgistan/China. Dort wollen wir in etwa drei Wochen unser Glück versuchen und ohne organisierte Tour in die Provinz Xinjiang einreisen.

Damiras Eltern haben einen kleinen Fresskorb dabei. Wir steuern einen Pass an, der besonders schön zum Picknicken sein soll. Auf dem Weg treffen wir auf Kirgistans coolste Pferde, die sogar die Gelassenheit indischer Kühe übertreffen. Mitten auf der Straße stehend, bringt sie selbst 170 luftgekühlte, herantosende Pferdestärken nicht aus der Ruhe. Druckluft-Hupe: Zwecklos. Bloß keinen Millimeter bewegen. Wenn ich da an meine letzte Reitstunde in Deutschland denke, bei der ich wie ein Frosch an die Hallenwand flog, nur weil jemand draußen eine Autotür zuschlug… Wenige Zentimeter an Pferdehintern vorbei geht die Fahrt weiter.

kirgistan_osh_hill_path.jpgNach rund 70km erreichen wir auf 2408m den Chyrchyk-Pass. Eigentlich gibt es hier nichts besonders zu sehen. Grüne Weidehügel, ein paar von den coolen Pferden und Jurten. Trotz offensichtlich aufziehendem Gewitter will sich Damiras Mutter nicht davon abbringen lassen die Picknickdecke auszubreiten. Esther, zugegeben Gewitterscheu, will erst gar nicht den LKW verlassen. Erste Donner lassen uns dann doch in eine fest installierte Jurte ziehen.
Wir trinken Cay und essen Brot mit Crema, ein Mittelding aus Sahne und Butter. Kyrmys lehnen wir dankend ab. Die Kirgisen trinken die vergohrene Pferdemilch literweise – soll gut für den Magen sein, schmecken tut’s uns jedoch auch nach mehreren Versuchen beim besten Willen nicht. Doch eine der kleinen getrockneten Käsekugeln lacht mich an und stecke sie mir komplett in den Mund. Schmeckt auch nicht sonderlich lecker und erinnert mich ein wenig an meinen Neffen Josh beim Steinelutschen, doch nach und nach schaffe ich es ein Stück von der Kugel abzuknabbern.
Draußen regnet es mittlerweile Eimer vom Himmel. Doch so rasch das Gewitter gekommen ist, so schnell ist es auch vorüber und inzwischen hat sich auch der Käsestein in meinem Mund aufgelöst.

Wir haben noch eine Verabredung mit Damira. Schlitternd gelangen wir vom steilen Matsch-Parkplatz auf die Schotterpiste und treten die Rückfahrt an. In Osh besteigen wir mit Damira den heiligen Berg in der Mitte der Stadt. Ganz schön anstrengend unsere Druckluft-Sitz-verwöhnten Hintern dort hoch zu bewegen. Doch ein bisschen Sport tut uns gut und oben angekommen entschädigt die tolle Aussicht.

kirgistan_osh_hill_wishslide1.jpgWer Lust und Zeit hat, kann einmal komplett um den Berg laufen, sicher ein netter Spaziergang, doch dafür ist es bereits zu spät. Wir begnügen uns mit der „Wunschrutsche“, ein Stück glatter Fels auf dem Einheimische wie Touristen mit viel Spass dreimal hinunter geleiten und dabei fest an einen Wunsch denken. Natürlich rutschen und wünschen wir auch, bevor wir wieder zurück vor die Stadt in Damiras Garten parken.

Dort chillen wir noch zwei weitere Tage und Nächte. Räumen im LKW auf, schreiben Berichte und installieren die neuen Zusatzscheinwerfer (die allerdings drei Monate später immer noch nicht angeschlossen sind). Die Temperaturen sind erträglich heiß, doch als Damiras Mutter etwas von „River“ und „Swimming“ erzählt, packen wir die Badehose ein und folgen ihr durch die Hinterlandschaft zur nahegelegenen Badezone. Doch wir ahnten es schon: Der „River“ ist ein Wasserkanal mit brauner Brühe. Dort planschen und springen an einem Übergang Kinder und Jugendliche herum – alles Jungs. Die hätten sicher gerne Esther baden gesehen. Doch für sie und auch mich ist es nicht heiß genug um uns dort abkühlen zu müssen. Doch wir freuen uns den braungebrannten Wasser-Flöhen beim Spielen im Wasser zuschauen zu können.

Am nächsten Tag gönnen wir uns den Luxus mit dem Taxi nach Osh zu fahren und kaufen Obst und Gemüse ein. Auf der Fahrt stellt sich heraus, dass der Taxifahrer, ein Bekannter der Familie, früher oft nach Kashgar gefahren ist. Damals gab es viel Grenzverkehr und es wurde reger Handel zwischen den Ländern betrieben. Inzwischen scheint sich das nicht mehr zu lohnen oder nicht mehr so einfach möglich zu sein.
Wir versuchen nützliche Infos über den bevorstehenden Grenzübertritt zu erfahren, doch bei ausländischen Grenzgängern und zudem noch mit eigenem Fahrzeug muss er weitgehend passen. Aber er könne sich informieren und uns einen Guide für die chinesische Seite besorgen. Das ist doch schon mal etwas. Wir erklären, dass wir nun drei Wochen in Kirgistan unterwegs sind, und uns eine Woche bevor wir wieder in Osh aufschlagen telefonisch melden.

kirgistan_osh_damira_family.jpg kirgistan_osh_damira_family_jan.jpg

Am letzten Abend zeigen wir Overlander-Kino bei Familie Orozmamatova. Wir sind verwundert, dass es im großen, zweistöckigen Haus so gut wie keine Möbel gibt. Lediglich in einem der Räume steht ein großer, langer Esstisch mit Stühlen. In den anderen Räumen liegen lediglich kirgisische Filz-Teppiche. Wir funktionieren einen dieser Räume zum Kino um, installieren unseren Video-Projektor und starten mit einem Comic-Kurzfilm für die kleinen Zuschauer. Dann zeigen wir Fotos unserer bisherigen Reise für die rund zehn Familienmitglieder.

Am nächsten Morgen verabschieden wir uns und verlassen die kleine Oase der Erholung. Wir checken noch mal eMails in der Stadt. Unser Krisen-Beitrag im Allrad-LKW-Forum hat eine Lawine losgetreten. 177 Antworten und über 10.000 Views – mit einer solchen Anteilnahme hatten wir nicht gerechnet – doch sie gibt uns Mut und unser Start im Hoffnungsland Kirgistan war schon mal sehr gut.

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