02.07.2009
Zwischen Bergen und Flüssen – unterwegs in Kirgistan
Toktogul-Talsperre, Kirgistan, Kilometer 11.083
Wir verlassen Osh und brechen Richtung Bishkek auf.
Am Togtogul-Stausee treffen wir vier Französische Radfahrer, die schon seit 14 Monaten durch die Welt radeln.
Dort erleben wir auch ein kurzes aber häftiges Gewitter mit grandiosem Sonnenuntergang als Abschluss.
02.07.2009 – Toktogul-Talsperre, Kirgistan, Kilometer 11.083
Wir verabschieden uns von Damira und ihrer Familie aus Osh. In gut zwei Wochen wollen wir wiederkommen um anschließend unseren Grenzübertritt nach China am Irkeshtam-Pass zu wagen. Noch wissen wir nicht, dass unsere China-Durchquerung anders ablaufen wird und wir nicht mehr nach Osh zurückkommen werden.
Es ist recht spät, bis wir loskommen und suchen wenig später nach einem Platz für die Nacht. Wir biegen auf eine kleine asphaltierte Nebenstraße mit esstischgroßen Schlaglöchern ab. Kaum jemand ist auf dieser Strasse unterwegs.
Nach ein paar Kilometern parken wir im Schutze eines kleinen Canions am Strassenrand. Nun stehen wir recht einsam und sehr ruhig, aber das macht mich ebenfalls nervös. Schließlich bekommt hier niemand mit, wenn der böse schwarze Mann kommt und uns holt. Im Nachhinein betrachtet völlig lächerlich. Doch mit unserer beschränkten Reiseerfahrung fragt ich mich bei jedem Typ, der an der Straße stand und "nichts" machte, was er hier wohl zu suchen hat. Inzwischen wissen wir: Die machten tatsächlich nichts und stehen einfach nur rum. Kein Grund zur Sorge also und das scheint unser Unterbewustsein besser zu wissen, denn wir schlafen tatsächlich sehr gut.
Am nächsten Morgen zwitschern uns viele Vögelchen aus dem Schlaf. Sie haben ihre Nester in die weichen Sandwände des Canions gegraben. Ich schnappe mir ein Schale mit Müsli, setze mich etwas abseits vom Auto auf die Straße und versuche geduldig mit dem Teleobjektiv die Vögel im Flug zu fotografieren – mit mäßigem Erfolg.
Da entdecke ich ein junges Mädchen auf dem linken Hügel, das uns beobachtet. Als sie merkt, dass ich sie gesehen habe, ruft sie mir irgend etwas (mir) unverständliches zu. Ich winke zurück und setze meine Vogeljagd mit der Kamera fort.
Wenig später kommt ein Kuh mit zügigen Schritten an mir vorbeigetrabt. Ich wünsche auch ihr einen schönen guten morgen, was sie allerdings wenig kümmert. Kurz darauf folgt eine Herde Ziegen und Schafe. Ein Junge auf einem Pferd treibt die Tiere vorran, daneben läuft das junge Mädchen welches uns vom Hügel etwas zurief. Beide bleiben stehen und das Mädchen erklärt uns mit Händen und Füßen, das ihre Oma gleich um den Hügel herum wohnt und uns eingeladen hat. Fragt mich nicht, wie wir ohne ein Wort Kirgisisch sowas verstehen können – es ist mir selbst scheierhaft!
Wir lehnen die Einladung ab, da wir kurz vor dem Aufbruch sind. Wir sind gestern nur wenige Kilometer vorangekommen und wir wollen nach Suusamyr, einem Hochtal im Norden. (Anmerkung: Im nachhinein ärgere ich mich, solche interessanten Einladungen abgelehnt zu haben; doch live hat man oft andere Gedanken im Kopf, die einen anders Entscheiden lassen, als Wochen danach)
Noch bevor wir den Magirus anwerfen ist das junge Mädchen wieder zurück. In den Händen hält sie eine kleine Schüssel mit der landestypischen "Crema", der Sahne, die wir schon von Damiras Mutter kennen, sowie eine zweite Schüssel mit einem recht saurer schmeckenden Johgurt.
Wir sind wieder einmal von der Gastfreundschaft dieser Menschen überwältigt! Man stelle sich sowas mal in Deutschland vor, doch dafür reicht meine Vorstellungskraft nicht aus…
Wir füllen die beiden Geschenke um, bedanken uns sehr herzlich und suchen den Weg zurück zur Hauptstrasse. Der sollte lt. GPS nicht weit in Fahrichtung liegen, doch nach zwei Kilometern ist die Strasse leicht abgerutscht. Zwar würden zwar dennoch irgendwie weiterkommen, doch die Strasse macht einen zusehens zerfalleneren Eindruck und ich entschließe mich erst einmal zu Fuss den weiteren Weg zu erkunden. Ich werde mit einem schönen Panorama über eine Flussebene belohnt, doch die Strasse scheint eine Sackgasse zu sein. Zumindest kann ich weit und breit keine Brücke entdecken.
Wir drehen um und fahren den Weg zurück, den wir gekommen sind.
Zunächst brummen wir noch in den letzten Ausläufern des Fergana-Vallay. Auf der Ebene kommen wir zügig vorran. Plötzlich springt ein Mann mit einer Kelle in der Hand auf die Strasse und winkt uns heraus. In der anderen Hand hält er eine mit Testfilm zusammengeflickte Radarpistole. Wir wären zu schnell gefahren, was sicher stimmen mag, denn uns war nicht klar, dass wir uns innerhalb eines Ortes befinden, wo nur 50km/h erlaubt sind. Da ich generell nicht sofort bezahle, egal wie gering die Strafen im Vergleich zu deutschen Verhältnissen sein mögen, frage ich nach der Preisstruktur, ab wieviel km/h zu schnell man wieviel zahlen muss. Der Polizist ist vorbereitet und hält eine mir eine bunte Karteikarte entgegen. Dort erschließt sich mir zwar keine Preislogik, doch die 200 Som (2 Euro) scheinen mir für mein Delikt angemessen und bezahle die Strafe.
Auf der Weiterfahrt wird mir bewusst, dass man eigentlich kaum eine Chance hat zu erkennen, wie schnell man gerade fahren darf, da Ortschaften selten ausgeschilder und weit auseinandergerissen sind. Man ist eigentlich ständig innerhalb eines Orts.
Wir fahren hinauf Richtung Toktogul-Talsperre. Die Strasse schlängelt sich kurvenreich durch die Berge. Auf drei Staustufen wird hier das Wasser zur Stromgewinnung angestaut. Wenngleich künstlichen Ursprungs, liegt der Fluß in sattem blau malerisch schimmernd zwischen den steilen Bergen.
Wir haben herrlichen Sonnenschein. Es ist zwar heiß, aber dennoch ist die Luft sehr angenehm. Doch als wir unweit der Strasse eine offizielle Bademöglichkeit entdecken, lassen wir es uns nicht nehmen ein wenig im kühlen Wasser zu planschen. Es ist das erste mal seit Deutschland, dass wir Schwimmen gehen können! Erfrischt steigen wir ins Fahrerhaus und brausen weiter.
Wir erreichen eine Mautstation. Ich traue meinen Ohren nicht, als ich höre, dass wir für die Weiterfahrt satte 40$ zahlen sollen. Neben dem Kassenhäuschen steht ein Gebührenschild. Dies ist zwar in Kirgisisch geschrieben, aber dennoch entziffere ich, dass der Preis für ausländische LKW von 5-10to tatsächlich 40$ beträgt, für einheimische LKW hingegen nur 250 Som, umgerechnet 4$. Wir diskutieren über den Preis, schließlich transportieren wir keine Waren. Worauf wir uns auf 20$ einigen können, der Gebühr für die nächstkleinere Kategorie.
Wir erreichen einen Pass und uns eröffnet sich der Blick auf den Toktogul Stausee. Es dämmert bereits und nachdem wir von der Passhöhe hinunter einige Kilometer am See entlang gefahren sind, halten wir an einem kleinen Restaurant mit herrlichem Bilck über den See.
Dort schlagen auch vier Radfahrer aus Frankreich ihr Lager für die Nacht auf. Sie sind ein wenig gestresst: In der Nähe ziehen kräftig dunkle Wolken auf und verheißen nichts Gutes. Mit viel Mühe und Hast klopfen sie die Herringe ihrer Zelte in den teilweise asphaltierten Boden.
Die beiden Pärchen sind mit zwei Mountain-Bikes und zwei Liegerädern seit 14 Monaten unterwegs. Von Frankreich fuhren sie bis nach Usbekistan, von dort flüchteten Sie vor dem Winter mit dem Flugzeug nach Australien und Neuseeland, um anschließend wieder zurück nach Kasachstan zu fliegen. Von Kirgistan wollen sie nun ebenfalls nach China einreisen und über die Mongolei zu ihrem Endziel nach Hong-Kong.
Großer Respekt! Wir versuchen uns vorzustellen, wie es wäre, aus eigener Muskelkraft unsere bisher zurückgelegte Strecke zu fahren. Der gerade überwundene "kleine" Pass zog sich schon mit dem Auto in die Länge – dabei brummen wir mit gut 30km/h die Berge hoch!
Wie anstrengend so eine Tour sein muss, bekomme ich am Rande mit: Eines der Mädels scheint – aus welchen Gründen auch immer – mit den Nerven völlig am Ende zu sein. Es gibt ein kleines Wortgefecht auf französich mit ihrem Partner, anschließend zieht sie sich weinend in’s Zelt zurück.
Wir sind sehr froh, dass wir uns selbst bei schlechter Laune sehr gut vertragen und immer zusammen "kämpfen", statt sich noch gegenseitig das Leben schwer zu machen. Das ist auf einer solchen Reise unglaublich viel Wert. Wie gut das klappt, sieht man allerdings erst wenn man unterwegs ist.
Inzwischen hat uns die Böhenwalze vom Gewitter erreicht. Schnell werden die Zelte zusätzlich mit alle möglichen Steinen und Gegenständen gesichert, da krachen auch schon die ersten Blitze und Donner auf uns runter. Ein für uns selten heftiges Gewitter mit Blitzen im Sekundentakt! Wir flüchten alle in das kleine Restaurant. Die Wolken scheinen komplett am Stück runter zu fallen, so gießt es. Doch kurz und kräftig – keine 30min später ist das Gewitter vorbeigezogen. Die Sonne schlägt sich noch einmal ein Loch in die Wolken, um anschließend rot-brennend am Horizont zu versinken.
Ein spektakulärer Abschluss eines Weltreise-Tages.